Frauenfußball neu denken: Athletiktraining & Verletzungs-prävention müssen spezifisch sein – nicht „angepasst“
- Coach Sergio
- 14. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Mai
Der Frauenfußball hat sich in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt – technisch, taktisch und physisch. Gleichzeitig bleiben die Verletzungszahlen auf alarmierend hohem Niveau, insbesondere bei Kreuzbandrissen.
Als Athletiktrainer sehe ich in der Praxis regelmäßig:Das klassische „Männer-Trainingskonzept“ wird auf Frauen übertragen – ohne Rücksicht auf Biomechanik, hormonelle Einflüsse oder neuro-muskuläre Unterschiede.
Dieser Artikel gibt einen fachlich fundierten Überblick über:
spezifische Risikofaktoren im Frauenfußball
notwendige Trainingsschwerpunkte
und konkrete Maßnahmen zur Verletzungsprävention & Leistungssteigerung
Verletzungsprofil im Frauenfußball
Die mit Abstand häufigste schwere Verletzung bei Fußballerinnen ist der Riss des vorderen Kreuzbands (ACL). Studien zeigen:
Frauen sind 4–6x häufiger betroffen als Männer
Häufige Begleitverletzungen: Meniskus, Innenband, Knorpelschäden
Weitere typische Beschwerden: Sprunggelenksinstabilität, Patellaspitzen-Syndrom, LWS-/Hüftdysbalancen
Warum ist das so?
Multifaktorielle Ursachen:
Q-Winkel & Beckenform → ungünstigere Beinachse
geringere Gluteus-Aktivierung → instabile Hüftkontrolle
hormonelle Schwankungen (z. B. Relaxin) → höhere Gelenklaxität (besonders in der Ovulationsphase)
weniger neuromuskuläre Vorerfahrung → schlechtere Sprung- und Landetechnik
Unterschiede Männer vs. Frauen – biomechanisch & athletisch
Aspekt | Männer | Frauen |
Becken-/Knieachse | stabiler, Q-Winkel geringer | valgusanfällig, höhere ACL-Belastung |
Muskelprofil | mehr Explosivkraft (typisch) | mehr quadriceps-dominant |
Rumpfstabilität | funktionell ausgeglichener | oft schwächere Core-Integration |
Hormonsystem | stabiler (Testosteron) | zyklusabhängige Laxität/Regeneration |
Krafttrainingerfahrung | früh & regelmäßig (meist ab U13) | oft verspätet & unsystematisch |
Fazit: Athletiktraining für Fußballerinnen kann nicht einfach eine „abgeschwächte“ Version des Männertrainings sein. Es braucht eigene Konzepte, gezielte Reize – und präventive Strategien, die biomechanisch greifen.
Zentrale Trainingsinhalte für Fußballerinnen
1. Neuromuskuläre Kontrolle & Gelenkstabilität
Fokus auf Knie- und Sprunggelenkachsen
Landungskontrolle (Drop Jumps, Drop-Landings)
einbeinige Sprung-/Stabilitätsübungen
2. Hip Control & Gluteus-Aktivierung
gezielter Aufbau von Gluteus medius & minimus
Mini-Band Drills, Side Planks + Abduktion, Clamshells, Step Downs
3. Rumpfstabilität (Core/Trunk Integration)
nicht isoliert, sondern funktionell dynamisch
Anti-Rotation (z. B. Pallof Press), Trunk Rotation in Split Position
4. Krafttraining – systematisch & zyklusangepasst
Progressive Overload – auch bei Frauen wichtig
Fokus auf hintere Kette (Hamstrings, Glutes)
Zyklusphasen nutzen, z. B.:
Follikulärphase = kraftfähig, geeignet für Maximalreize
Ovulation / Lutealphase = vermehrt Fokus auf Technik, Bewegungsqualität, Reduktion unkontrollierter Sprünge
5. Präventionsprogramme – integriert im Training
z.B. FIFA 11+ (mit Modifikationen)
PEP-Programm (Propriozeption, Core, Plyos)
Einbindung ins Aufwärmen: regelmäßig, nicht optional
Monitoring & Individualisierung
Ein standardisiertes Teamprogramm reicht nicht – was es braucht, ist:
Einzelfallscreening:Bewegungsmuster analysieren (FMS, Drop Jump Analysis, Einbein-Landungen)
Regelmäßiges Kraftmonitoring:z. B. Hamstring-Testing (Nordic Curl), CMJ, RFD (wenn möglich)
Zyklusmonitoring:respektvoll, transparent, freiwillig – aber sinnvoll
Was Trainer*innen & Athletikcoaches beachten sollten
Fußballerinnen brauchen ein eigenständiges Athletikkonzept. Punkt.Wer nur ein „leicht reduziertes Männertraining“ fährt, wird:
Verletzungen nicht verhindern
Potenziale verschenken
und falsche Belastungsspitzen setzen
Empfehlungen:
Krafttraining ab U15 systematisch einführen
Athletikanteil im Training erhöhen (min. 2 Einheiten/Woche)
Trainer*innen & Athletikteam eng abstimmen
Spielerinnen früh aufklären: „Wissen über den eigenen Körper = verletzungspräventiv“
Fazit
Frauenfußball hat andere Anforderungen – und braucht andere Lösungen.Wer biomechanische, hormonelle und trainingsmethodische Unterschiede ignoriert, riskiert nicht nur Ausfälle, sondern bremst Entwicklung.
Ein fundiertes Athletiktraining, das Bewegungsqualität, Kraftentwicklung und zyklusbasierte Planung kombiniert, ist der Schlüssel – nicht nur zur Prävention, sondern zur nachhaltigen Leistungsentwicklung.
Du betreust Fußballerinnen im Leistungsbereich – oder bist selbst Spielerin und willst gezielt an dir arbeiten?
Dann melde dich gerne bei mir für ein persönliches Gespräch oder eine Trainingsberatung:
📩 Kontakt: www.coachsergio-pt.com/kontakt
🎯 Gemeinsam holen wir mehr aus deinem Körper, deinem Spiel – und deiner Athletik heraus.
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